Erste Interview-Partnerin ist Dr. Bettina Tremmel vom Provinzialrömischen Referat der LWL-Archäologie für Westfalen. Frau Dr. Tremmel, wie ist es zur Entdeckung des Wachhauses gekommen?
Als wir 2013 das Gelände innerhalb des Westtores des römischen Hauptlagers untersucht haben, wussten wir nicht, was uns im Boden erwartet. Wir haben uns gewünscht, neue Gebäude zu entdecken, zum Beispiel das Haus eines höheren Offiziers. Dafür haben wir aber das Wachhaus gefunden, das insofern als Zufallsfund definiert werden kann, wobei wir kaum mehr gefunden haben, als die Bodenverfärbungen, die die Pfostenlöcher des Baus hinterlassen haben.
Wie lässt sich solch ein Grabungsbefund zu einem 3D-Gebäude rekonstruieren?
Um das Wachhaus wieder auferstehen zu lassen, haben wir mit Fachkolleg:innen, Architekten, Statikern und Zimmerleuten zusammengearbeitet. Da an vielen römischen Fundorten hölzerne Baureste erhalten geblieben sind, besitzen wir genügend Informationen, um Wände, Türen, Fenster und Dach bis ins Detail nachbilden zu können. Es ist schon verblüffend, wie zeitlos Zimmersmannstechnik zum Beispiel bei Holzverbindungen ist, da hat sich manches in den letzten 2000 Jahren nicht geändert.
Gab es auch noch Spuren von der damaligen Inneneinrichtung?
Da wir von der Inneneinrichtung keine Spuren gefunden haben, können wir zur Einrichtung nur Vermutungen anstellen. Die hier gewählte Raumaufteilung und Möblierung mit Etagenbetten, Schränken, Regalen, etc. beruht auf Vergleichsfunden aus römischem Kontext und auf Parallelen zu Wachhäusern aus moderner Zeit.
Nachdem die Planungen des neuen Gebäudes abgeschlossen waren, begann im November 2021 die Rekonstruktion des Wachhauses. Georg Rohlf ist Leiter der Rohlf Zimmerei GmbH aus Haltern-Lavesum, die sämtliche Holzarbeiten am Gebäude durchgeführt und Teile der Möblierung gebaut hat.
Herr Rohlf, ein moderner Zimmerei-Meisterbetrieb bekommt den Auftrag zur Rekonstruktion eines 2.000 Jahre alten Gebäudes. Welche Herausforderungen bringt das mit sich?
Der Bau war eine echte Abwechslung, aber auch Herausforderung. Der von den Archäologen ergrabene Grundriss war krumm und schief. Wände hatten Knicke und keine Ecke einen 90°-Winkel. Wir mussten ingenieurtechnisches Bauen mit dem Wunsch eines originalgetreuen Nachbaus in Einklang bringen.
Wie ging der Möbelbau vonstatten und was war dabei die besondere Herausforderung?
Wir haben sie zum Teil nach Vorlagen von Möbeln gebaut, die in Pompeji und Herculaneum ausgegraben wurden.
Größere Schwierigkeiten machten die Beschläge und die Schlösser der Türen. Sie mussten punktgenau eingesetzt werden, da sich ihre Positionierung später nicht mehr verändern lässt. Heute ist so etwas kein Problem mehr, da können die Türen einfach nachgestellt werden, wenn etwas doch nicht ganz sitzt.
Im Wachhaus kann man demnächst ein Escape-Room-Abenteuer erleben. Federführend bei der Planung war Nora Wieling, Filialleitung Gamedesign, Adventurebox – Escape Room Münster.
Frau Wieling, worauf beruht die Geschichte des Escape-Rooms?
Als Grundidee für die Story stand von vornherein fest, dass die Spieler:innen die letzten Stunden des legendären Römerlagers Aliso erleben sollten. Der aktuellen Forschungslage nach gab es dort eine große Belagerung durch die Germanen, der die Römer nur mit einer List entfliehen konnten.
Seitens des Museums wurden uns mehrere Quellen zur Verfügung gestellt, die diese Belagerung und Flucht beschreiben. Das war der Ausgangspunkt für die Geschichte, die man hautnah im Escape Room erleben wird: Die heimliche Flucht in einer stürmischen Nacht, die nur mit einer List gelingen konnte. Wie genau diese List aussah, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten – dieses Geheimnis dürfen die Spieler:innen ab September selbst lüften.
Was ist das Besondere an diesem Escape-Room?
Zum einen natürlich das Setting selbst: Einen Escape-Room mit Römer-Thematik gibt es bisher in ganz Europa noch nicht.
Zum anderen ist es die unvergleichlich authentische Kulisse, in der das Spiel erlebt wird. Das Wachhaus mit seiner Inneneinrichtung sowie das Spielmaterial des Escape-Rooms ist mit so viel Liebe zum Detail gebaut und erstellt worden, dass es sich unglaublich „echt“ anfühlt. Dass die Rahmenhandlung dann noch auf historischen Befunden basiert, ist das i-Tüpfelchen.