Sehnsüchtig wartet die Weltbevölkerung in der Corona-Pandemie auf ihre Schutzimpfungen gegen das Virus. Dazu braucht es nicht nur genügend Impfstoff und Personal, das den Impfstoff verabreicht. Auch die Instrumente, mit denen geimpft, kontrolliert oder operiert wird, sind entscheidend. Diese herzustellen, lernen Fachkräfte in einer dualen Berufsausbildung.
Pascal Scheu ist stolz darauf, dass er als Chirurgiemechaniker dafür sorgt, dass der Gesundheitsbranche ausgezeichnetes Werkzeug zur Verfügung steht. Der 20-Jährige ist im dritten Jahr seiner Ausbildung zum Werkzeugmechaniker, Einsatzgebiet Instrumententechnik. Bei der Aesculap AG in Tuttlingen hat er etwa die Herstellung von Arterienklemmen, Bulldogklemmen und Aneurysmenclips erlernt. Das Unternehmen ist auf die Produktion von Medizinprodukten und -technik für die Chirurgie spezialisiert.
Für eine Operation benötigen Chirurginnen und Chirurgen etwa Arterienklemmen, Wundspreizer, Knochenstanzen oder anatomische Pinzetten, die in einem speziell dafür benötigten Sterilcontainer aufbewahrt werden. Neben dem Handwerkszeug für die ärztliche Kunst produzieren Chirurgiemechaniker auch Implantate, etwa Titanschrauben, die eine Bandscheibe stützen.
„Wir stellen das Instrumentarium nicht nur her, wir reparieren es auch“, sagt Pascal Scheu. „Wir schweißen, wir schleifen, wir montieren, wir schärfen Instrumente, wir prüfen - unsere Arbeit ist äußerst abwechslungsreich, das finde ich gut.“
Der 20-Jährige hat sich nach seinem Realschulabschluss nach einem Ausbildungsberuf umgesehen, der sowohl handwerkliches Geschick als auch den Umgang mit modernsten Maschinen verlangt. Während eines Schülerpraktikums konnte er einen ersten Eindruck vom Berufsalltag gewinnen.
Zu Beginn der Ausbildung geht es vor allem darum, ein Gefühl für Material und Maße zu entwickeln. Die Azubis arbeiten mit Werkstoffen wie Aluminium, Messing und Edelstahl. Sie handhaben traditionell Hammer, Säge und Feile - allerdings mit Fingerspitzengefühl.
Messtechnik und Kalibration
Seither hat Pascal Scheu unterschiedliche Abteilungen durchlaufen, unter anderem auch den Bereich Messtechnik und Kalibration. „Dort dreht sich alles um Messen und Kalibrieren, bis in den Tausendstel-Millimeter-Bereich“, sagt er. „Ab dem zweiten Ausbildungsjahr lernen wir auch das Programmieren, denn bereits heute spielt die Automatisierung in der Produktion eine große Rolle.“
Besonders interessant fand er es auch, Implantate herzustellen. Noch besser gefällt ihm allerdings der Prototypenbau. „Da kann man wirklich etwas Neues mitentwickeln, das ist sehr interessant und sehr abwechslungsreich.“
Technisches Verständnis, logisches Denken und eine gute räumliche Vorstellungskraft gehören dem Azubi zufolge zu den wichtigsten Voraussetzungen für den Beruf. Aber auch Akribie und die Fähigkeit zur Konzentration sind laut Vanessa Gfell wichtig. Sie ist Pascal Scheus Lernbegleiterin und hat die Ausbildung selbst vor einigen Jahren absolviert. Im Anschluss hat sie sich zur Industriemeisterin für Medizintechnik weitergebildet. Heute arbeitet sie in der Abteilung Berufsausbildung und gibt dort ihr Fachwissen weiter. Die Fertigung der Instrumente erfordert höchste Präzision, muss bis auf den Zehntelmillimeter genau stimmen.
In der Ausbildung erwerben die angehenden Chirurgiemechaniker auch Kenntnisse in Anatomie, denn sie müssen wissen, wie die Instrumente später eingesetzt werden. Deshalb steht in der Berufsschule zum Beispiel Instrumentenkunde auf dem Stundenplan und die Schülerinnen und Schüler schauen sich Videos von Operationen an. Auch mit den lateinischen Fachbegriffen aus der Medizin müssen die angehenden Fachkräfte etwas anfangen können.
Eine Berufsschule für Chirurgiemechaniker.
Im Gegensatz zu Azubi-Kollegen aus anderen Bundesländern hat Pascal Scheu die Berufsschule direkt vor der Tür. Denn die Ferdinand-von-Steinbeis-Schule in Tuttlingen ist die einzige Berufsschule für Chirurgiemechaniker in Deutschland. Die Ausbildungsvergütung kann sich je nach Bundesland und Betrieb unterscheiden. Die Bundesagentur für Arbeit gibt zur Orientierung Werte aus den Tarifbetrieben im Metallhandwerk an. Demnach verdienen Azubis im ersten Jahr je nach Bundesland zwischen 525 und 952 Euro, im letzten Ausbildungsjahr beläuft sich die Vergütung auf zwischen 635 und 1122 Euro monatlich brutto.
Grundsätzlich stehen die Chancen gut, nach der Ausbildung übernommen zu werden. Die Medizintechnik gilt als zukunftsfest und hat laut dem Branchenverband Bundesverband Medizintechnologie (BVmed) einen großen Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften.
Pascal Scheu will allerdings weiterlernen. „Die Ausbildung ist eine gute Grundlage und bei mir wurde das Interesse an der Entwicklung geweckt, ich möchte nun Maschinenbau studieren“, sagt er. dpa